Die Modellierung des Gehirns am Computer
Der menschliche Körper ist ein hochkomplexes Netzwerk. Krankheiten können als Störungen dieses Netzwerks angesehen werden. Umwelteinflüsse oder genetische Veränderungen führen zu Störungen im System. Wenn sich das System nicht anpassen kann, tritt ein kritischer Übergang auf und eine Krankheit bricht aus. Zur Untersuchung der Krankheitsmechanismen führen unsere Biologen und Ärzte Experimente durch und untersuchen Patienten. Dies erzeugt eine Flut an wissenschaftlichen Daten. Um biologische Systeme im Detail zu analysieren zu können, haben wir die Infrastruktur für den Umgang mit solch großen Datenmengen aufgebaut und außerdem die nötigen Computer gestützte Methoden für deren Verwendung und Interpretation erstellt.
Hochwertige Daten bilden eine solide Basis für unsere Forschung. Beim LCSB legen wir großen Wert darauf, große Datenmengen nach anerkannten internationalen Standards zu erfassen, zu speichern und deren Zugriff zu kontrollieren. Mit unserer Initiative Responsible and Reproducible Research (R3) stellen wir solide Infrastruktur, Datenprozesse und Methoden zur Verfügung, um die Qualität und Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse zu verbessern. Das LCSB ist auch verantwortlich für auch ELIXIR-LU, Luxemburgs Knotenpunkt im europäischen ELIXIR-Netzwerk, das sich der Verwaltung und Sicherung wissenschaftlicher Daten widmet. Mit ELIXIR-LU stellen wir Programme und Dienstleistungen für andere Forschergruppen im Land bereit und dienen als internationaler Dreh- und Angelpunkt für biomedizinische Daten.
Sobald die Daten den höchsten Qualitätsstandards entsprechen, ist es an der Zeit, sie in Wissen umzuwandeln. Unsere Forscher entwickeln mathematische und rechnerische Ansätze zur Visualisierung und Analyse verschiedener Arten von Daten. Sie bauen, was wir "Krankheitslandkarten" (engl.: disease maps) nennen. Diese riesigen Netzwerke repräsentieren das, was wir über jede Krankheit wissen, sprich alle Prozesse, die auf zellulärer und molekularer Ebene ablaufen. Man kann sich das wie eine riesige U-Bahn-Karte vorstellen: Moleküle sind wie die U-Bahn-Stationen, die durch chemische Reaktionen oder Wechselwirkungen miteinander verbunden sind. Sobald das Netzwerk aufgebaut ist, können wir untersuchen, wer mit wem verbunden ist, wer eine zentrale Rolle spielt und welche Wege bei einer bestimmten Krankheit blockiert oder verändert werden.
Von den Molekülen zur Dynamik des Gehirns
Am LCSB wenden wir solche Methoden auf viele Aspekte der Hirnforschung an. Sei es auf molekularer, zellulärer oder ganzer Gehirnebene; Computermodelle bilden den Kern der Forschung des LCSB. Das Team von Dr. Alex Skupin hat z.B. Modelle des Kalziumsignalwegs sowie der Energieerzeugung in Mitochondrien - den Kraftwerken der Zellen - erstellt. Forscher um von Assistent Prof. Enrico Glaab und Prof. Reinhard Schneider haben mehrere neue Gene entdeckt, die an der Alzheimer-Krankheit bzw. an Epilepsien beteiligt sind. Das Team von Prof. Antonio del Sol konnte mithilfe von Computermodellen vorhersagen, welche molekularen Faktoren geändert werden müssen, um einen Zelltyp in einen anderen umzuwandeln.
Darüber hinaus arbeiten unsere Informatiker um Prof. Jorge Goncalvez eng mit Prof. Frank Hertel, Neurochirurg am Centre Hospitalier de Luxembourg, zusammen, um bessere Methoden zur Platzierung und Anpassung von Elektroden für die Tiefenhirnstimulation bei Parkinson-Patienten zu entwickeln. In einem laufenden Projekt, das von der Michael J. Fox-Stiftung finanziert wird, zielen LCSB-Forscher darauf ab, Deep-Learning-Ansätze auf Daten von Parkinson-Patienten anzuwenden, um die Entwicklung der Krankheit vorherzusagen. Diese und viele weitere Beispiele von LCSBs rechnergestützter Forschung zeigen, dass Modellierungsansätze in vielen unserer Forschungsbereiche einen zentralen Bestandteil bilden und mit experimenteller Arbeit Hand in Hand gehen.